Gespräch mit Herrn Tobias Gotthardt, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie anlässlich der Delegationsreise des Freistaates Bayern mit Wirtschaftsmission nach Polen (07.-10.05.2024)
Das Motto des Besuchs lautet: "Green Deal: Energieeffizienz und Digitalisierung in der Produktion".
AHK Polen: Sie werden im Rahmen Ihres Besuches in Polen an dem EEC in Katowice teilnehmen, auch mit Vertretern der Wirtschaft und der Politik sprechen. Mit welchen Erwartungen kommen Sie nach Polen?
Tobias Gotthardt: Ich freue mich auf den Besuch. Polen ist und bleibt ein zentraler Partner für Bayern und Deutschland – nicht nur im wirtschaftlichen Bereich. Wir sind Nachbarn im Herzen Europas. Die wirtschaftliche Bedeutung hat in den vergangenen Jahren noch deutlich zugenommen. Polen ist ein vorbildhafter Wachstumsmotor in der EU und mit seiner Innovationskraft, etwa im Bereich Digitalisierung, ein hochattraktiver Markt bei Absatz und Beschaffung. Das sind mehr als genug Gründe, nach der Unterbrechung durch die Pandemie endlich wieder Polen zu bereisen, um sich aus erster Hand einen Eindruck zu verschaffen und die Potenziale kennenzulernen. Mit Warschau, Kattowitz und Krakau haben wir drei wirtschaftlich starke Regionen ausgewählt, nachdem wir 2019 bereits in Danzig und Breslau zu Besuch waren.
Ziel unserer Reise ist es, die Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen durch Gespräche mit Ministerien in Warschau, den Vertretern der Regionen Schlesien und Kleinpolen sowie mit Wirtschaftsvertretern. Wir möchten bayerische Unternehmen in direkten Kontakt mit der polnischen Seite bringen, darüber hinaus aber auch Netzwerke zwischen den Organisationen der Innovations-, Mittelstands- und Ansiedlungsförderung in beiden Ländern verstärken.
AHK Polen: Was können bayerische Unternehmen den polnischen Partnern anbieten? Welche Gebiete der bayerischen Wirtschaft haben im Hinblick auf eine Kooperation mit Polen ein besonders großes Potential?
TG: Bei der Auswahl des Themas Energieeffizienz und Digitalisierung in der Produktion haben wir uns an einer Scouting-Studie (Link: https://www.bayern-innovativ.de/de/seite/projekt-international-scouting-polen) orientiert, die von der AHK Polen gemeinsam mit Bayern Innovativ erarbeitet wurde und die Felder mit dem höchsten Potenzial zwischen Bayern und Polen definiert hat. Dazu gehören außerdem additive Fertigung in der Industrie und in der Medizin, wasserstoffbetriebene Produktion, Künstliche Intelligenz in der Medizin, Extended Reality in der Produktion, elektrische Verkehrsantriebe, Energiespeicher, aber auch Spielentwicklung, um nur die wichtigsten Bereiche zu nennen.
AHK Polen: Welche Bereiche bei den polnischen Partnern finden Sie besonders interessant?
TG: Energieeffizienz und Digitalisierung in der Produktion finde ich besonders spannend! Das Thema hat besondere Relevanz, da Polen nach wie vor ein hohes Maß industrieller Investitionen verzeichnet, bei denen neueste Technologien zur Anwendung kommen. Zugleich hat das Know-how polnischer Anbieter auf den genannten Gebieten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, womit sie sich deutschen Unternehmen auch als Partner bei F&E anbieten.
AHK Polen: Wie sehen Sie die Rolle der AHK Polen bei der Entwicklung der bayerisch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen?
TG: Die AHK spielt eine entscheidende Rolle. Dr. Lars Gutheil ist ja nicht nur Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der AHK, sondern seit 2019 auch Bayerischer Repräsentant. Wir haben eine hervorragende Ausgangssituation mit der Bayerischen Repräsentanz bei der AHK, dem polnischen Generalkonsulat in München, einer Vertretung der Polnischen Investitions- und Handelsagentur (PAIH) und langjährigen Projekten und Besuchen auf beiden Seiten. Doch da geht noch mehr! Wir wollen gemeinsam in konkreten Projekten daran arbeiten, die Chancen und Herausforderungen im Zuge des Green Deal zu nutzen beziehungsweise zu bewältigen. Die AHK hat als Schnittstelle zwischen beiden Ländern den besten Ein- und Überblick über die aktuellen Entwicklungen und sieht, wo ein Anstoß zur konkreten Vernetzung sinnvoll ist. Ein besonderer Schwerpunkt ist auch der Bereich Medizintechnik. Bayern hat im Februar 2023 eine Projektstelle eingerichtet, um bayerische und polnische Akteure im Med-Tech-Bereich zu vernetzen. Das Büro ist bei der AHK Polen in Breslau angesiedelt. Ziel ist die Stärkung der Beziehungen zwischen Polen und Bayern im Bereich medizinischer Technologien. Ein großes Potenzial für Kooperationen liegt besonders im Bereich der künstlichen Intelligenz in der Medizin.
AHK Polen: Das Motto der Delegationsreise lautet: “"Green Deal: Energieeffizienz und Digitalisierung in der Produktion". Welche Erfahrungen aus Bayern in diesen Bereichen können für die polnischen Partner besonders interessant sein? Wo gibt es potenzielle Synergien?
TG: Wir definieren und nutzen gemeinsam die Chancenfelder des europäischen "Green Deal". Bayern ist mit vielen Clusterschwerpunkten und der starken Verbindung von Forschung, Industrie und Mittelstand ein Kraftzentrum der deutschen Wirtschaft. Großunternehmen wie Hidden Champions und zahlreiche Familienunternehmen sind verlässliche Partner, die bereit sind, auch längerfristig im Ausland zu investieren und zu kooperieren. In unserer Delegation sind namhafte bayerische Firmen vertreten, darüber hinaus die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Bayern Innovativ, der VDMA und mehrere Cluster, die für geballten Sachverstand und die nötigen Branchenkenntnisse in Bayern sorgen. Mit der LfA Förderbank Bayern und der Nürnberg Messe sind weitere wichtige Multiplikatoren in den Bereichen Finanzierung und Marketing mit von der Partie. Interessierten Unternehmen kann ich nur raten, noch mit der AHK bezüglich der Möglichkeiten zur Vernetzung an unseren drei Reisestationen Warschau, Kattowitz und Krakau Kontakt aufzunehmen.
AHK Polen: In den letzten Jahren beobachten wir ein dynamisch wachsendes Interesse an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den bayerischen und polnischen Unternehmern. Angesichts dieses nicht nur quantitativen, sondern auch qualitativen Wachstums, wie beurteilen Sie die wichtigsten Ziele und die Perspektiven der bayerisch-polnischen Zusammenarbeit?
TG: Wir hoffen, dass die Zusammenarbeit durch die Wiederannäherung an gemeinsame europapolitische Vorstellungen mit der neuen Regierung weiter an Dynamik gewinnt und dass die mit der nachhaltigen europäischen Industriepolitik verbundenen Politikfelder nun zügig vorangetrieben werden. Die aktuellen Krisen erfordern eine noch intensivere Zusammenarbeit. Nach der Pandemie ist es wichtig, Handelsbeziehungen und Lieferketten wieder zu beleben. Der Ukrainekrieg belastet Bürger und Wirtschaft, der Außenhandel ist geprägt von Lieferkettenunterbrechungen und Engpässen bei Vorprodukten, etwa für die Automobilindustrie. Wir sollten gemeinsam die Lehren aus Corona-Krise und veränderten weltpolitischen Konstellationen ziehen. Wenn wir kooperieren, stärken wir die Resilienz beider Standorte. Die Chancen sind groß, wir sind leistungsfähige Partner, die Potenziale müssen im gemeinsamen Austausch gerade auch der Unternehmen untereinander gehoben werden. Auf politischer Ebene möchten wir gerne hier die Ideen, Pläne und Vorstellungen unserer polnischen Partner hören und konkrete Schritte für die weitere Zusammenarbeit erarbeiten.
AHK Polen: Wir danken Ihnen für das Gespräch.