Wirtschaftsnachrichten

Lieferketten auf dem Prüfstand - Auswirkungen des Lieferkettengesetzes auf polnische Geschäftspartner deutscher Unternehmen

21.06.2023

Im Januar 2023 ist in Deutschland das sogenannte Lieferkettengesetz in Kraft getreten. Es erlegt deutschen Unternehmen (vorerst den größten - mit mindestens 3.000 Beschäftigten) weitreichende Verpflichtungen auf - von allgemeinen Anforderungen zur Achtung der Menschenrechte bis hin zur Notwendigkeit, angemessene interne Präventionslösungen zu implementieren.

Die möglichen Auswirkungen des Gesetzes auf polnische Unternehmer und erste Erfahrungen mit seiner Umsetzung waren Thema einer Sitzung des Ausschusses für Recht und Öffentlichkeitsarbeit des AHK Polen-Clubs am 19. Juni 2023 in der Zentrale der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer (AHK Polen).

Das Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen zur Umsetzung einer Menschenrechts-Compliance-Strategie und verpflichtet sie, Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen. Zu den grundlegenden Verpflichtungen gehört auch die Notwendigkeit, eine regelmäßige Risikoanalyse des Unternehmens durchzuführen, auch im Bereich Einkauf und Verkauf.

Die Verpflichtungen richten sich auf die Umsetzung in der gesamten Lieferkette, die nach dem Gesetz weit gefasst ist - sie umfasst alle Stufen, die für die Herstellung von Produkten und die Erbringung von Dienstleistungen im In- und Ausland notwendig sind (Produktion, Transport, Logistikdienstleistungen). Die Lieferkette umfasst also die Aktivitäten eines Unternehmens im eigenen Betrieb, aber auch die seiner direkten und indirekten Zulieferer. Insofern ist die neue Regelung auch für polnische Unternehmer relevant, die ihre Geschäftspartner in Deutschland haben. In der Praxis kann dies dazu führen, dass sie bestimmte Verfahren einführen und einhalten müssen, die von ihren deutschen Geschäftspartnern erwartet werden - z.B. im Hinblick auf die Überprüfung der Herkunft von Materialien und Rohstoffen.

Dr. Monika König von der Anwaltskanzlei Menold Bezler und Rechtsanwältin Barbara Kaczała von der Anwaltskanzlei JDP präsentierten, wie sich die neuen Verpflichtungen auf polnische Unternehmen in Bezug auf die strengen Compliance-Anforderungen auswirken werden. Das Treffen bot den Vertretern der Mitgliedsunternehmen der Kammer die Gelegenheit, die möglichen Auswirkungen des Gesetzes auf die Unternehmen zu analysieren, Meinungen auszutauschen und Fragen an die Expertinnen zu stellen.

Dr. König betonte, dass das Gesetz nicht das zu erreichende Ziel vorgibt, sondern den Unternehmer zu bestimmten Maßnahmen im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht verpflichtet. Dies spiegelt sich u.a. in der Erstellung entsprechender Dokumentationen wider (unternehmensinterne Richtlinien zum Schutz der Menschenrechte und des Umweltschutzes, um spezifische Klauseln ergänzte Vertragsdokumente, Garantien von Zulieferern, z.B. Lieferanten-Ethik-Chartas, usw.). Durch die Umsetzung des Gesetzes können die großen Unternehmen ihr wirtschaftliches Potenzial nutzen, um die sozialen und ökologischen Beziehungen positiv zu beeinflussen. Das Handeln auf der Grundlage von Strategien und Risikoüberwachung schützt auch ihren Ruf.

Die Umsetzung und Einhaltung des Gesetzes in Deutschland wird durch das BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) überwacht, das auch Regeln und Empfehlungen zur Anwendung des Gesetzes auf seiner Website veröffentlicht. Dies ist wichtig, da es bisher keine Rechtsprechung in diesem Bereich gibt. Die Befugnisse der BAFA-Kontrollen sind weit gefasst, und Verstöße gegen das Gesetz können zu schweren Sanktionen führen.

Derzeit wird darüber hinaus eine Richtlinie auf europäischer Ebene ausgearbeitet, die detaillierter und restriktiver sein wird als das derzeitige deutsche Gesetz und darüber hinaus alle europäischen Länder abdecken wird. Sie wird Umweltfragen mehr Aufmerksamkeit schenken und eine zivilrechtliche Haftung für verursachte Schäden einführen. Dies ist vor allem für so genannte Risikosektoren (wie Textilien, Land- und Forstwirtschaft, Chemikalien) wichtig.

Entgegen dem Anschein müssen die neuen Vorschriften, die den Unternehmern strengere Anforderungen in Bezug auf die Lieferketten auferlegen, kein Faktor sein, der ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Vielmehr sollten sie die Verkürzung der Lieferketten begünstigen, was die Position polnischer Unternehmen stärken kann (Nearshoring/Friendshoring), betonte Anwältin Kaczała. Darüber hinaus gibt es in Polen Regelungen (z.B. im Arbeitsgesetzbuch oder im Zusammenhang mit unterzeichneten internationalen Konventionen), die Unternehmer verpflichten, nach den Anforderungen des Lieferkettengesetzes zu handeln - dieser Umstand kann zu einem Wettbewerbsvorteil für polnische Anbieter werden, da der erwartete Standard bereits eingehalten wird, jedoch eine entsprechende Anpassung der Verfahren oder Dokumentation der Unternehmen erfordert.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass es sich lohnt, die Unternehmen im Vorfeld proaktiv auf die anstehenden Gesetzesänderungen vorzubereiten und ihre Wettbewerbsvorteile in der neuen Situation zu suchen. Die Aufnahme von Informationen über die Einhaltung bestimmter Standards in das Angebot kann sich für polnische Unternehmen als großer Vorteil erweisen, da dies für deutsche Unternehmen ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl eines Auftragnehmers sein wird.

Auch Branchenverbände können bei der Anpassung an neue Vorschriften eine wichtige Rolle spielen, indem sie bei der Ermittlung branchenspezifischer Risiken helfen und Unternehmer zertifizieren (z. B. IATF-Zertifizierung in der Automobilindustrie). Internationale " Sektoren-Rundtischgespräche " unterstützen die Entwicklung wünschenswerter Standards für die Branchen.

Die Sitzung wurde vom Vorsitzenden des Rechtsausschusses der AHK Polen, Dr. Marcin Chomiuk, geleitet. Die Gäste der Kammer waren Tomasz Salomon, stellvertretender Direktor der Abteilung für Handel und internationale Zusammenarbeit im Ministerium für Entwicklung und Technologie, und Piotr Placha, Abteilung für Marktanalyse und Strategien, Staatliche Investitions- und Handelsagentur.

Die AHK Polen verpflichtete sich, die Situation im Bereich des Lieferkettengesetzes weiter zu beobachten und die Unternehmer bei der Vorbereitung der Zusammenarbeit mit deutschen Geschäftspartnern entsprechend den Anforderungen des Gesetzes zu unterstützen.