Die polnische Eisenbahnindustrie investiert seit Jahren massiv in die Schieneninfrastruktur und das rollende Material. Bedeutende Mittel aus mehreren EU-Programmen ermöglichen es, die Lücke in vielen Bereichen des Schienenverkehrs zu schließen und die polnischen Eisenbahnen auf die Liberalisierung des Schienenfernverkehrsmarktes im Jahr 2030 vorzubereiten.
Dank der getätigten Investitionen haben die polnischen Eisenbahnen die Chance, schneller Teil des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-T) zu werden. Ihre dynamische Entwicklung unterstützt auch die Ziele der Energiewende und ist ein weiterer Pluspunkt für Polen als Standort für Investitionen, die modernste Logistiklösungen erfordern. Deutsche Bieter sind auch an laufenden und geplanten Eisenbahninvestitionen in Polen beteiligt.
Entwicklung des Sektors in Polen
Infrastrukturinvestitionen, einschließlich derjenigen in Logistik und Verkehr, sind das Schwungrad der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Eisenbahnen sind eine der Prioritäten bei der Umsetzung einer modernen, integrierten und nachhaltigen Verkehrspolitik. Polen investiert seit Jahren konsequent in diesen Sektor, und der Beitritt Polens zur Europäischen Union ermöglichte die Mobilisierung erheblicher Mittel für die Umsetzung strategischer Veränderungen bei den Eisenbahnen. Nach Angaben der PKP PLK belaufen sich die Gesamtausgaben für Eisenbahninvestitionen - einschließlich der von der Europäischen Union kofinanzierten - zwischen 2004 und 2023 auf fast 116 Milliarden PLN. Diese Investitionen betrafen rund 17.000 Kilometer Gleis. Sie ermöglichten unter anderem die Verkürzung der Strecken zwischen den großen Städten Polens, die Wiederherstellung zahlreicher regionaler und lokaler Verbindungen, die bessere Integration verschiedener Verkehrsträger, einschließlich der Kombination von Schienen- und Luftverkehr, sowie die Verbesserung der Bedingungen für den Güterverkehr, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung des intermodalen Verkehrs.
Die strategischen Richtungen für die Weiterentwicklung der Eisenbahnen in Polen sind im so genannten Weißbuch dargelegt, einem analytischen Dokument, das die polnischen Bedingungen und mitteleuropäischen Besonderheiten berücksichtigt, aber auch Schlussfolgerungen und beste Lösungen aus westeuropäischen Märkten oder dem Schweizer Markt einbezieht. Das Dokument sieht vor, den Umfang des Güterverkehrs auf der Schiene im Einklang mit den EU-Zielen zu erhöhen, die Entwicklung des intermodalen Verkehrs zu unterstützen, aber auch - im Gegensatz zu den größten europäischen Ländern - nicht nur den Fernverkehr, sondern auch den Hochgeschwindigkeitsregionalverkehr zu führen oder den leichten Güterverkehr auf neuen Eisenbahnstrecken zuzulassen, was deren Nutzung optimieren wird.
Europäische Unterstützung für strategische Ziele auf der Schiene
Eisenbahninvestitionen in dieser Größenordnung wären ohne die Unterstützung durch europäische Mittel nicht möglich gewesen. Diese Mittel stammen aus einer Reihe von Quellen. In der aktuellen Finanzrahmen (2021-2027) stehen Polen für die Entwicklung der Eisenbahnen Mittel in Höhe von ca. 44 Mrd. PLN für den Schienenverkehr und ca. 1,8 Mrd. PLN für die Förderung des intermodalen Verkehrs zur Verfügung. Diese Mittel stammen aus dem Europäischen Fonds für Infrastruktur, Klima und Umwelt (FEnIKS), dem Europäischen Fonds für Ostpolen (FEPW) und dem Nationalen Wiederaufbauplan (KPO). Sie werden zur Kofinanzierung von Infrastrukturprojekten verwendet, die hauptsächlich von dem Verwalter des nationalen Eisenbahnnetzes PKP PLK durchgeführt werden, aber auch von Projekten im Zusammenhang mit der Digitalisierung des Sektors oder dem Kauf von rollendem Material für den Personenverkehr und den intermodalen Verkehr, so Ewa Karasińska, Leiterin der Abteilung für Eisenbahnprojekte im Zentrum für EU-Verkehrsprojekte, in einem Interview mit wnp.pl. Das FEnIKS-Budget für den Schienenverkehr beläuft sich auf rund 23 Mrd. PLN, das KPO-Budget auf mehr als 17 Mrd. PLN, davon rund 11,5 Mrd. PLN für Streckeninvestitionen und Digitalisierung und fast 6 Mrd. PLN für rollendes Material. Karasińska betont, dass Polen auch von zusätzlichen Quellen in Form von Mitteln aus dem EU-Programm CEF2 (Connecting Europe) profitiert. In diesem Fall werden die Förderanträge direkt bei der Europäischen Kommission eingereicht und von der EU-Agentur CINEA geprüft. Im Rahmen dieses Programms sollen 11,4 Milliarden Euro auf alle EU-Länder verteilt werden.
Polen ist im Vergleich zu anderen EU-Ländern bisher führend bei der Nutzung der CEF-Mittel (Connecting Europe Facility). Die PKP PLK war im Zeitraum 2014-2020 der größte Empfänger von CEF-Mitteln: Im Rahmen von Wettbewerben wurden damals mehr als 18,35 Mrd. PLN für Polen bereitgestellt, was mehr als 18 % des Gesamtbudgets ausmachte. Für den Zeitraum 2021-2027 hat Polen bereits mehr als 3 Milliarden Euro an Fördermitteln für die eingereichten Projekte erhalten. Unter anderem werden im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ vier Eisenbahnprojekte für den Zentralen Kommunikationshafen CPK auf den Strecken Warschau-Poznań und Kattowitz-Ostrau durchgeführt. Im Juli wurde die Finanzierung des fünften CPK-Projekts bewilligt - die Projektdokumentation für den 155 Kilometer langen Abschnitt Sieradz-Kalisz-Pleszew-Poznań, der ein wichtiger Teil des „Y“, des künftigen Rückgrats des Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes in Polen, ist.
Deutsche Unternehmen beteiligen sich an Infrastrukturinvestitionen
Auch an den Eisenbahninvestitionen sind deutsche Unternehmen beteiligt. In der Nähe von Kędzierzyn-Koźle wird ein neuer Eisenbahnhafen als Investition von DB Cargo Spedkol gebaut, dessen Fertigstellung für das erste Quartal 2025 erwartet wird. Die Investition wird in Zusammenarbeit mit polnischen Unternehmen gebaut, da der Generalunternehmer ein Konsortium aus Infra Silesia, Polimex Mostostal und Polimex Infrastruktura ist. Zu den Tätigkeiten des Terminals gehören die Lieferung, die Lagerung und der Umschlag von vor allem Stahlprodukten. Durch den Anschluss an das TEN-T-Netz (Transeuropäisches Verkehrsnetz) wird die Region Oberschlesien durch die Züge der Schlesien-Masowien-Mähren-Linie mit dem Süden, Norden und Westen Europas verbunden sein. Die Lage in der Nähe der Autobahnen A4 und A1 sowie der Bundesstraßen ermöglicht zudem einen effizienten Gütertransport auf der Straße innerhalb Oberschlesiens.
„Polen hat das Potenzial, ein wichtiger Umschlagplatz zu werden, ein echtes östliches Tor für Europa. Die aufeinanderfolgenden Entwicklungsprojekte verbessern den Zustand und die Dichte der Eisenbahninfrastruktur, und die zunehmend lautstarke und einflussreiche Eisenbahngemeinde beginnt, die Entscheidungen des politischen Umfelds wirksam zu beeinflussen. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, aber ich glaube dennoch an das Potenzial der polnischen Eisenbahn, das in ihrer geopolitischen Bedeutung und den Aussichten für die künftige Entwicklung liegt, insbesondere um den Transport von Gütern für Westeuropa effizienter zu gestalten“, betont Katarzyna Marciniak, Mitglied des Vorstands von DB Cargo Polska S.A. und von AHK Polska. Sie weist aber auch auf die Herausforderungen hin: „Die polnische Eisenbahn befindet sich derzeit an einem Scheideweg - es ist vielleicht der kritischste Moment in der Geschichte ihrer Entwicklung seit Jahren. Auf der einen Seite haben wir große geplante Investitionen wie den zentralen Kommunikationshafen und die damit verbundene Hochgeschwindigkeitsbahn, wir haben umfangreiche Investitionspläne der polnischen Regierung in Bezug auf die Eisenbahninfrastruktur dank der KPO und der Mittel des Zentrums für EU-Verkehrsprojekte. Auf der anderen Seite gibt es das immer größer werdende Missverhältnis zwischen Straßen- und Schienentransporteuren, wobei erstere von der fast kostenlosen Straßeninfrastruktur profitieren und letztere hohe Kosten für den Schienenzugang tragen müssen. Der Zugang zur Eisenbahninfrastruktur selbst ist für die Kunden im Logistiksektor ebenfalls ein sehr wichtiger Faktor. Derzeit gibt es rund 3.000 öffentliche Personenbahnhöfe und Bahnhöfe auf dem polnischen Schienennetz. Öffentliche Terminals oder Railports für den Güterverkehr sind praktisch nicht vorhanden. Die Eisenbahnen, insbesondere die Güterbahnen, stehen also vor vielen Herausforderungen, aber auch vor großen Entwicklungsperspektiven.“
Modernes Rollmaterial als Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit
Deutsche Unternehmen sehen auch in den geplanten Investitionen in modernes rollendes Material Potenzial. Ein Konsortium bestehend aus Siemens Mobility Sp. z o.o., Warschau (Federführung), Siemens Mobility GmbH (Mitglied) und Otto-Hahn-Ring, München, hat Interesse an der von PKP Intercity im Oktober dieses Jahres ausgeschriebenen Lieferung von 42 Doppelstock-Elektrotriebzügen mit Wartungsleistungen für einen Zeitraum von 30 Jahren bekundet. Das staatliche Verkehrsunternehmen kann weitere 30 Triebzüge im Rahmen eines so genannten Optionsrechts bestellen. Der Wert des Grundauftrags beläuft sich auf fast 10 Milliarden PLN brutto, wovon 55 Prozent auf den Kauf von Rollmaterial entfallen. Der Wert der Bestellung mit einer Option für weitere 30 Fahrzeuge beträgt fast 17 Milliarden PLN brutto. Neben dem deutschen Konsortium haben auch Alstom Polska und Stadler Polska Interesse bekundet.
Vorbereitungen für die Liberalisierung des Eisenbahnmarktes
Infrastrukturinvestitionen erhöhen die Attraktivität Polens für Investoren erheblich, da sie ihnen moderne und zuverlässige logistische Einrichtungen für ihre Aktivitäten bieten. Die Entwicklung der Eisenbahn ist auch ein wichtiges Instrument für den Aufbau von Sicherheit (militärische Mobilität). Die PKP Intercity zielt mit ihren Investitionen außerdem darauf ab, sich im Zusammenhang mit der geplanten Liberalisierung des Schienenfernverkehrsmarktes im Jahre 2030 eine optimale Wettbewerbsposition gegenüber ausländischen Transportunternehmen zu sichern. Dies ist auch eine Antwort auf das zu beobachtende wachsende Interesse der Fahrgäste an Fernverkehrsreisen. Die neuen Züge sollen mindestens 500 Fahrgäste aufnehmen können und eine bequeme und schnelle Reise gewährleisten. Es ist vorgesehen, dass diese Züge eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h haben werden. Der sichere Betrieb der Doppelstockzüge wird durch das europäische Sicherheitssystem ETCS Level 1 und 2, das On-Board-Diagnosesystem sowie GPS gewährleistet. Das neue rollende Material soll zudem wirtschaftlich in der Wartung sein.