Wirtschaftsnachrichten
Neues aus der AHK Polen

Deutsche Wirtschaft stagniert weiter - Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen

29.11.2024

Die deutsche Wirtschaft stagniert weiter, so das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Gründe für die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums sind konjunktureller und struktureller Natur.

Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit längerer Zeit in einem Abschwung. Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland wird in diesem Jahr voraussichtlich um real 0,1 Prozent schrumpfen. Experten schätzen, dass es im Jahr 2025 nur noch um 0,4 Prozent wachsen wird und senken damit die bisherigen Prognosen.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung übergab sein Jahresgutachten zur Lage der deutschen Wirtschaft an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die Ökonomen haben die wichtigsten Bereiche identifiziert, die dringend modernisiert werden müssen, wenn Deutschland wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren soll.

Bürokratie hemmt Unternehmenswachstum

Deutschland sei nicht ausreichend auf die Zukunft vorbereitet und müsse jetzt konsequent modernisiert und der Investitionsrückstand aufgeholt werden, meinte Monika Schnitzer, Präsidentin des Sachverständigenrates. Hier sei nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik gefordert.

Die derzeitige Situation ist nämlich nicht nur auf konjunkturelle Faktoren zurückzuführen, sondern hat auch strukturelle Ursachen. Dazu gehören zum Beispiel ungünstige demografische Entwicklungen oder Veränderungen auf den Weltmärkten, insbesondere in den Beziehungen zu China. Dieses Land war jahrelang das wichtigste Zielland für deutsche Exporte. „Das weltwirtschaftliche Umfeld hat sich verändert“, sagt der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick. Deutschland hat in den letzten Monaten mehr nach Polen als nach China exportiert. Auch der globale Wettbewerb wird härter. „Im Maschinenbau sind die Chinesen inzwischen die Nummer eins“, sagt Schularick.

Der Kapitalmarktanalyst Robert Halver wies darauf hin, dass Unternehmer weniger Bürokratie und mehr Planungssicherheit für ihre Geschäftsaktivitäten brauchen. Wer in Deutschland investiert, sollte wissen, was er zu erwarten hat. Diese Rahmenbedingungen entscheiden über die Attraktivität von Investitionsstandorten. Der Wettbewerb um Investoren nimmt weltweit zu. Deutschland sollte hier dringend handeln, wenn es ein attraktives Land für Investoren bleiben will.

Wirtschaftsexperten fordern mehr Investitionen in Bildung und Transport

Trotz sinkender Inflation (die Inflationsrate wird in diesem Jahr bei 2,2 % und im nächsten Jahr bei 2,1 % erwartet) und steigender Reallöhne halten sich die Deutschen bei den Ausgaben zurück. Dadurch wird die Wirtschaft weiter gebremst.

Experten weisen jedoch darauf hin, dass die öffentlichen Ausgaben zur Unterstützung des künftigen Wachstums dringend erforderlich sind. Dieser Bereich wurde ihrer Ansicht nach seit Jahren vernachlässigt. Zu den Ausgaben sollten ein Verkehrsinfrastrukturfonds und Mindestbeträge für Bildungs- und Verteidigungsausgaben gehören.

Wirtschaftsbremse: Nachholbedraf bei der Digitalisierung

Der Nachholbedarf Deutschlands im Bereich der Digitalisierung des Finanzsystems ist ein ernstes Problem. Dies senkt das Potenzial für Innovationen und Effizienzgewinne erheblich. Innovationen bei den Zahlungsdienstleistern kommen vor allem aus dem Ausland. Online-Zahlungsdienstleister kommen z.B. aus den USA, wie Paypal, oder aus Schweden, wie Klarna. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland hier nur in der unteren Hälfte, erklärt Ulrike Malmendier, Mitglied des Sachverständigenrates: Digitale Innovationen dürften vor allem von neuen Akteuren auf dem Finanzmarkt wie FinTech- und Big-Tech-Unternehmen kommen.

Strompreis entscheidend für Wirtschaftswachstum

Einerseits kann die Digitalisierung durch Effizienzsteigerungen Kosten senken, andererseits sind die hohen Energiekosten in Deutschland ein Wachstumshemmnis in diesem Bereich.

Robert Halver unterstreicht: „Innovation und Digitalisierung brauchen Strom. Für mich sind die Energiekosten die Arbeitskosten der Zukunft.“

Energiesicherheit muss gewährleistet sein und Energie muss zu akzeptablen Preisen verfügbar sein. Hier ist Deutschland nicht wettbewerbsfähig.

Hohe Energiepreise wirken sich auch negativ auf den privaten Konsum aus. Die Stimmung unter den Verbrauchern ist pessimistisch und Experten schätzen, dass der private Konsum im Jahr 2025 nur leicht steigen wird.

Wirtschaftswachstum in Deutschland schwächer als in anderen Volkswirtschaften

„Die deutsche Wirtschaftsleistung wird im Jahr 2025 voraussichtlich auf einem ähnlichen Niveau liegen wie vor der Coronavirus-Pandemiekrise“, erklärt Martin Werding, Mitglied des Sachverständigenrates.

In den USA liegt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bereits um mehr als zwölf Prozent höher als vor der Pandemie, in der Eurozone um rund vier Prozent. Die von Donald Trump angekündigte Einführung von Zöllen könnte ein weiterer Faktor sein, der sich negativ auf die Lage der deutschen Wirtschaft auswirken wird. Sie könnte zu einer Abwanderung von Investitionen deutscher Unternehmen in die USA beitragen.

Wirtschaftsexperten sind sich einig, dass es viele Bereiche gibt, in denen entschiedene Maßnahmen und Investitionen erforderlich sind, um Deutschland für die Herausforderungen der Zukunft zu stärken. Das Land muss modernisiert werden, um weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben.

 

Quelle: Informationsmaterialien von ZDF und FAZ