Recht & Steuern
Rechtsartikel

Böses Erwachen nach Jahren. Die Geschäftsführerhaftung des Art. 299 KSH

22.11.2017

Dr. Dominik Wagner, LL.M.

Die Geschäftsführerhaftung in der polnischen Sp. z o.o. gestaltet sich vielfach härter, als sie der GmbH-Geschäftsführer nach deutschem Recht kennt. Insbesondere zählt hierzu die Aus-fallhaftung des Art. 299 KSH (Kodeks Spółek Handlowych - Handelsgesellschaftengesetz-buch), die gerade im Insolvenzfall einer polnischen GmbH den Gesellschaftsgläubiger gegen-über den Geschäftsführern ein scharfes Schwert zur Verfügung stellt.

Vielfach werden hiervon in der Praxis ehemalige Geschäftsführer polnischer Kapitalgesell-schaften noch Jahre nach Beendigung ihrer Ämter böse überrascht; nicht selten werden hier-durch deutsche Geschäftsführer längst insolventer oder abgewickelter polnischer Tochterge-sellschaften von Versäumnissen in der Vergangenheit wieder eingeholt.
Nach Art. 299 KSH haften die Geschäftsführer mit ihrem gesamten gegenwärtigen sowie zukünftigen Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Sp. z o.o. aus der Zeit ihrer Geschäfts-führerstellung, wenn die Zwangsvollstreckung eines Gesellschaftergläubigers gegen die Ge-sellschaft erfolglos geblieben ist. Diese Haftung kann auch auf die Erben des Geschäftsfüh-rers übergehen.
Der Gläubiger muss nicht nachweisen, alle möglichen Vollstreckungsmittel ausgeschöpft zu haben; Es genügt bereits ein einziger Nachweis aus dem folgt, dass der Gesellschaft kein Vermögen zur Verfügung steht, um den Gläubiger befriedigen zu können. Praxisrelevant ist ein Nachweis des polnischen Gerichtsvollziehers.

Der Geschäftsführer kann sich nur ganz selten von der Haftung befreien.
Hierzu muss er nachweisen:

1) dass der Insolvenzantrag oder ein Antrag auf ein Verfahren zur Abwendung der Insol-venz (Vergleichsverfahren) zur rechten Zeit gestellt wurde, oder
2) dass die Nichteinleitung des Insolvenzverfahrens oder des Verfahrens zur Abwendung der Insolvenz nicht von ihm verschuldet wurde, oder
3) dass der Gläubiger trotz fehlendem Antrag auf Insolvenzerklärung oder Nichteinleitung des Verfahrens zur Abwendung der Insolvenz keinen Schaden erlitten hat.

Dabei liegt die Beweislast für diese Umstände beim Geschäftsführer, was sich für ihn im Haf-tungsprozess häufig problematisch gestaltet.

Der Geschäftsführer haftet nach Art. 299 KSH für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten ab dem Zeitpunkt seiner tatsächlichen Bestellung bis zur Abberufung in den Vorstand.
Dementsprechend kann diese Haftungsgrundlage auch für ehemalige Geschäftsführer, noch nach Jahren, unangenehme Wirklichkeit werden, sofern diese innerhalb der unverjährten Zeit durch Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommen werden. In der Praxis kommt Art. 299 KSH häufig zum Zuge und ist gerade für ausländische Geschäftsführer, etwa aus Deutsch-land, überraschend, denen eine vergleichbare Haftungsgrundlage im heimischen nationalen Recht unbekannt ist.
Für im Ausland ansässige Geschäftsführer bringt die Haftungsvorschrift ferner aus prozessu-aler Hinsicht eine zusätzliche Verschärfung. Die ehemaligen Gesellschaftsgläubiger müssen den Geschäftsführer nicht einmal an seinem allgemeinen Gerichtsstandort verklagen, son-dern können gestützt auf Art. 7 Abs. 2 EuGVVO (Nr. 1215/2012) den besonderen Gerichts-stand der unerlaubten Handlung in Polen wählen, was durch den Obersten Gerichtshof im Urteil vom 07. November 2008, III CZP 72.08, bestätigt worden ist.

Dr. Dominik Wagner, LL.M.
Rechtsanwalt und Partner TIGGES Rechtsanwälte
Düsseldorf

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