Kann man aus einem Windrad tatsächlich eine Brücke machen?

Interview mit Marcin Sobczyk von der Firma ANMET, Gewinner des Polnisch-Deutschen Wirtschaftspreises, Ausgabe 2021

Kann man aus einem Windrad tatsächlich eine Brücke machen?

Marcin Sobczyk, Project Manager, ANMET: Das ist schon ein erheblicher Aufwand. Doch wie unser Beispiel zeigt, ist das durchaus möglich. Wobei wir in der Firma natürlich sagen, dass man das nicht nur machen kann, sondern unbedingt machen muss. Denn die Wiederaufbereitung und erneute wirtschaftliche Nutzung von Flügeln, nachdem sie ausgedient haben, stellt immer noch das größte Problem in der Windenergiebranche dar. Die Windräder produzieren kostengünstige und saubere Energie. Dies spielt für die Verringerung des CO2-Ausstoßes und der Reduzierung der Verbrennungstreibstoffe eine große Rolle.
Die Frage, wie man die Flügel wiederaufbereitet, dürfte das letzte Problem sein, das man lösen muss, bevor man die Windenergie als vollständig ökologisch bezeichnen kann. Nach dem Gespräch mit unseren Partnern hatten wir den Eindruck, dass es zwar keinen „goldenen Weg“ geben wird, um die Flügel wiederaufzubereiten. Doch hatten wir den Eindruck, dass es eine Reihe von Lösungen gibt, die man anwenden kann – und zwar in Abhängigkeit vom Standort, des Typs und des technischen Zustandes des Flügels. Dabei zeigt die Brücke symbolisch nur, was man alles aus einem solchen Flügel machen kann.

Woher hatten Sie die Idee, Flügeln wiederaufzubereiten?

MS: Unsere Firma liefert bereits seit 1999 für Unternehmen aus Polen und Deutschland Lösungen aus dem Bereich des Transportes, der Sortierung und der Bewirtschaftung von Metallabfällen. Der Eigentümer von Anmet, Andrzej Adamcio, hat 2010 während einer seiner Treffen mit Partnern aus Deutschland auf einem Platz einen Turbinenflügel gesehen. Dabei hat er während des Gespräches immer mehr davon erfahren, wie der Gebrauch von Flügeln wächst und wie wenig Nutzungslösungen es trotzdem gibt – und zwar besonders, wenn es um die Wiederaufbereitung geht. Das hat Andrzej Adamcio dazu inspiriert, neue Lösungen in diesem Bereich zu suchen. Nur um mal kurz zu zeigen, wie groß unser Engagement ist: Wir haben bis heute auf der ganzen Welt mit rund 20 Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen zusammengearbeitet.  Es ging darum, neue Lösungen für die Wiederaufbereitung von Windrädern zu suchen und neue Methoden für das Recycling von Flügeln zu entwickeln.

Was für Produkte bieten Sie an?

MS: Die Lösungen, die wir anbieten, teilen wir in architektonische und industriell-technische Produkte und Ingenieurs-Produkte ein. Architektonische sind vor allem Bänke, Liegestühle und Außenmöbel.
Für die  Herstellung von Architektur braucht man zwar nicht allzu viele Flügel, doch jedes Produkt, das auf ihrer Grundlage entsteht, verfügt über einen beträchtlichen Wert, der durch sogenanntes Upcycling entstanden ist.
Die Ingenieurs-Produkte sind Brücken, Stege sowie Lösungen, die auf entsprechend bearbeiteten Flügeln beruhen, die als geotechnische Blöcke fungieren. Für diese Lösungen verfügen wir sogar über Patente.
Die industriell-technischen Lösungen sind vor allem unsere eigene Leistung und Patente, das sind beispielsweise OSB-Scheiben mit einem entsprechend ausgedrechselten Fragment eines Flügels.

Für welche Märkte sind Ihre Produkte bestimmt?

MS: Die Hauptmärkte sind vor allem Deutschland und Polen, obwohl wir auch schon in Frankreich, Großbritannien und in Belgien verkauft haben. Wir bemühen uns, weltweit zu agieren. Zuletzt haben wir als Aussteller auf der Messe „WindEurope” 2022 in Bilbao teilgenommen, wo unsere Produkte und Lösungen sehr gut angenommen worden sind und wo das Interesse an uns und unseren Lösungen bedeutend gestiegen ist.

Wie viele Propeller werden im Laufe eines Jahres wiederaufbereitet?

MS: Wir haben im vergangenen Jahr 30 wiederhergestellt, die über eine Masse von fast 200 Tonnen verfügt haben. Im laufenden Jahr wollen wir ihre Zahl mindestens verdoppeln. Wir sind uns dessen bewusst, dass dies nur einen sehr kleinen Teil des Bedarfes abdeckt, den es gibt. Wir sehen jedoch, dass das Interesse an unseren Produkten sehr dynamisch wächst. Wir sind überzeugt, dass letztlich die Veränderungen, die wir weltweit beobachten, verstärkt zu einer Anwendung unserer Produkte führen werden. Denn es ist immer besser, Stege, Bänke und die Verstärkungen für Straßen aus wiederaufbereiteten Materialien zu bauen. Materialien wie Stahl und Beton haben dabei für Investitionen und Projekte für die Geschäfte und für die Gesellschaft eine hohe Bedeutung.

Bietet die Firma ihre Produkte auch außerhalb von Polen an? 

MS: Unser offizieller Distributor – die Marke „Wings For Living“ – beschäftigt sich mit dem Vertrieb außerhalb von Polen. Diese wurde von unserem Partner und Freund Andre Schnabel aus der Taufe gehoben. Die Marke macht auch das Marketing für unsere Produkte. Das Greentech Festival in Berlin zwischen dem 22. und 24. Juni 2022  ist die nächste Veranstaltung, wo man uns treffen kann.

Sie haben im April des laufenden Jahres ein globales Patent für die Herstellung einer Scheibe und die Methode erhalten, wie man sie mit Hilfe eines zerkleinerten Flügels produziert. Wie wirkt sich dies auf andere Branchen aus?

MS: Das Patent haben wir tatsächlich Anfang April erhalten. Aktuell profitieren wir etwas von unsere Aufträgen, die wir bereits früher erhalten haben. Ebenso spielt die Herstellung von Produkten eine Rolle, die wir ausrangierten Flügeln machen. Deshalb konzentrieren wir uns erst Mitte des Jahres auf Gespräche mit potentiellen Partnern.
Um das mal mit Anglizismen zu sagen: Brücken und andere architektonische Produkte, die aus Flügeln hergestellt wurden, sind zu einem regelrechten „Eyecatcher“ geworden. Genauso haben auch die OSB-Scheiben, die aus zerkleinerten Flügeln produziert worden sind, das Potenzial, in der Recycling-Branche oder im OSB-Segment zu einem „Game-Changer“ aufzusteigen.
Unsere Scheiben werden vielleicht nicht in der Lage sein, die bisherigen Applikationen für diese Art von Platten zu ersetzen. Doch zeigen die Ergebnisse, die wir vom Markt erhalten haben, dass es eine Nachfrage nach Industrieanwendungen gibt, wo unsere Scheiben sich als bedeutend besser als die bisherigen erwiesen haben.

Können Sie ein paar Einzelheiten über die Scheiben verraten, die mit Hilfe von Flügeln entstanden sind?

MS: Die ganze Zeit finden weitere Untersuchungen und Versuche statt, um die Eigenschaften der Scheiben zu testen. Außerdem dürfte die hohe Widerstandsfähigkeit des Kompositums dazu führen, dass bei der Produktion der Scheibe weniger Kleber verwendet wird und der Transport einer größeren Masse von Platten bei einem einzigen Transport möglich wird. Eine Scheibe, die eine Dicke von 14 Millimetern hat, verfügt über dieselbe Widerstandsfähigkeit wie eine Standardscheibe mit einer Dicke von 20 Millimetern.
Wir sind überzeugt, dass die vielen Vorteile, die eine solche Scheibe bietet, dazu führen, dass dieses Produkt am Markt immer angewendet wird. Gleichzeitig kann man solche Scheiben relativ leicht verarbeiten und aus ihnen wieder neue Platten machen.

Sie wurde Preisträger der zweiten Ausgabe des deutschen-polnischen Wirtschaftspreises. Anmet hat sich unter 40 Rivalen, die sich für den Wettbewerb angemeldet haben, als die beste Firma erwiesen. 

MS: Zunächst müssen wir sagen, dass alleine die Qualifikation für den Wettbewerb für uns alle eine große Überraschung gewesen ist. Die Auszeichnung war ein ungewöhnliches Ereignis, das man nur schwer mit etwas anderem vergleichen kann. Wir wissen, dass wir uns daran noch sehr lange erinnern werden. Zweifellos hat uns dies beflügelt und den Glauben an uns bestärkt.
Gleichzeitig hat uns die Auszeichnung die Tür zu vielen anderen Firmen aufgestoßen und zu solchen Leuten, die unsere Arbeit wertschätzen. Dadurch haben wir viele neue Partnerschaften geschlossen. Zusätzlich hilft es uns, noch weitere aufzubauen. Wir sind auf diesen Preis sehr stolz und mit Sicherheit werden immer Mitglied in der AHK sein.

Vielen Dank für das Interview und noch einmal Gratulation zu Ihrem Gewinn!

Marcin Sobczyk
ein leidlicher Anhänger der Windenergie, hat während seiner Ausbildung und seiner Arbeit sich ganz der Windenergie gewidmet. Er ist Absolvent der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznan und verfügt über einen Abschluss als Magister im Bereich der Erneuerbaren Energien. Zuerst hat er als Project Entwickler gearbeitet und neue Windparks in Polen entwickelt. Danach hat er als On-Site Manager am Bau von Windparks in ganz Europa teilgenommen, aber auch an solchen am Polarkreis sowie in Südafrika. Insgesamt hat er den Bau von rund 20 Windparks mit gemeinsam circa 200 Windturbinen verantwortet. Er hat auch als Servicemanager für Windturbinen agiert. Aktuell ist er als Project Manager von Anmet für die Realisierung von Projekten verantwortlich, bei denen Propeller für die Wiederaufbereitung gewonnen werden sollen. Außerdem wird hier der Vertrieb von Produkten aus Flügeln organisiert.