Wirtschaftsnachrichten

Polnisches Cloud-Unternehmen erobert den Weltraum

27.04.2021

Interview mit Maciej Krzyżanowski, CEO von CloudFerro, Gewinner des Ersten Deutsch-Polnischen Wirtschaftspreises

Sie sind ein polnisches Technologieunternehmen, das Cloud-Computing-Dienste hauptsächlich für akademische Einrichtungen und die Raumfahrtindustrie anbietet. Können Sie in zwei Sätzen erklären, womit Ihr Unternehmen sich beschäftigt?

Maciej Krzyżanowski: Wir bieten Cloud-Computing-Services an, auch bekannt als Infrastructure as a Service (IaaS). Diese Dienste stellen im Wesentlichen Rechenleistung und Speicherplatz über das Internet zur Verfügung. Wir sind spezialisiert auf große Datensätze - die sogar Tausende von Terabytes oder Petabytes umfassen, insbesondere für die Raumfahrtindustrie, die Beobachtung von Erdsatelliten. Wir stellen auch Werkzeuge im Platform as a Service (PaaS)-Modell zur Verfügung - z.B. Datenindexierung, Suchwerkzeuge und spezialisierte Schnittstellen für den Zugriff auf diese Daten. 


Sie führen große europäische Projekte durch, u.a. für die Europäische Raumfahrtagentur ESA, ECMWF, EUMETSAT oder die Deutsche Raumfahrtagentur DLR. Worin genau besteht diese Zusammenarbeit? 

MK: CloudFerro bietet spezialisierte Dienste, die es verschiedenen Arten von Plattformen ermöglichen, auf Daten zuzugreifen und sie zu verarbeiten. Die bekanntesten unter ihnen sind Copernicus DIAS (Data and Information Access Services) CREODIAS.eu, CODE-DE.org oder Climate Data Store. CREODIAS ist eine Plattform für den Zugriff auf und die Verarbeitung von Erdbeobachtungsdaten aus der europäischen Konstellation Copernicus Sentinel. CloudFerro arbeitet hier im Auftrag der ESA. Für das deutsche DLR wiederum betreiben wir CODE-DE, die deutsche Copernicus-Kooperationsplattform - für deutsche öffentliche und wissenschaftliche Einrichtungen. CDS wiederum ist eine Klimadatenplattform, die vom ECMWF bereitgestellt wird, und CloudFerro liefert die Cloud-Basis, auf der das System basiert.  

Führen Sie ebenso prestigeträchtige Projekte für die polnische öffentliche Verwaltung durch?

MK: Wir erbringen Dienstleistungen für die polnische Raumfahrtbehörde, aber vorerst in einem viel kleineren Umfang und in einer kleineren Größenordnung. Wir rechnen jedoch nach wie vor damit, dass wir mit unseren einzigartigen Kompetenzen und Referenzen erfolgreich auf die entstehende Nachfrage reagieren können und dass die Umsetzung größerer Projekte - wie die Beteiligung am Nationalen Bodensegment oder Lösungen im Zusammenhang mit der Satellitenüberwachung der Landwirtschaft - noch vor uns liegt. Natürlich erfordert dies Käufe in einem Ausschreibungsverfahren, das für Unternehmen offen ist, und keine Lösungen innerhalb staatlicher Institutionen. Wir glauben jedoch, dass sich dieser Trend in naher Zukunft durchsetzen wird, wie es auch in anderen hoch entwickelten Ländern geschieht. Kürzlich erfuhren wir zum Beispiel, dass Elon Musks Unternehmen SpaceX ausgewählt wurde, eine Mondlandefähre als Teil des US-Programms „Artemis“ zur Rückkehr zum Mond zu bauen und zu betreiben.

Die Coronavirus-Pandemie hat dazu beigetragen, dass das Interesse von Unternehmen an Cloud-Lösungen spektakulär angestiegen ist. Die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft vieler Unternehmen wären wahrscheinlich noch größer gewesen, wenn nicht die Verlagerung der Unternehmen auf die Fernarbeit erfolgt wäre. Unternehmen waren oft gezwungen, schnell in Cloud Computing zu investieren. Wie sieht das in Zahlen aus? Wie viel Prozent der Unternehmen nutzen derzeit Cloud-Lösungen und wie stehen wir im Vergleich zu Europa da? 

MK: Laut aktuellen Eurostat-Daten nutzen 24% der polnischen Unternehmen Cloud Computing, während es in Bulgarien nur 11%, in Finnland aber 75% sind. Es scheint also, dass wir irgendwo in der Mitte liegen - eher unter dem Median. Eine ähnliche Zahl vom polnischen Amt für elektronische Kommunikation liegt wiederum bei 30%.
Allerdings muss man mit solchen Daten recht vorsichtig sein - das Ergebnis hängt von der Methodik dessen ab, was wir als Cloud-Services zählen. Z.B. nutzen die meisten Unternehmen - weit mehr als 24 oder 30% - E-Mail, Remote-Laufwerke oder Remote-Kommunikationstools. Alle diese Dienste werden in der Cloud bereitgestellt - aber offensichtlich wurden sie nicht in die Untersuchung einbezogen, denn wenn sie es wären, hätten wir das Ergebnis, dass 70% der Unternehmen die Cloud nutzen.
Unabhängig von den Ergebnissen der Studie glaube ich aufgrund unserer Gespräche mit Kunden fest daran, dass es noch viel zu tun und zu erreichen gibt, wenn es um die Cloud-Nutzung durch polnische Unternehmen geht.

Die aktuellen Zeiten sind zweifelsohne förderlich für das Wachstum Ihres Unternehmens. Cloud Computing versorgt heute fast alles, was uns erlaubt, in Zeiten der Isolation einigermaßen normal zu funktionieren. Wie entwickelt sich der heimische und europäische Markt in Ihrer Branche? Was sind die größten Herausforderungen für Anbieter dieser Dienstleistungen?

MK: Die größte Herausforderung besteht darin, das Wachstumstempo der Branche und die damit verbundene Konkurrenz durch außereuropäische Cloud-Giganten zu bewältigen. Erstens müssen wir den öffentlichen Sektor davon überzeugen, dass er lokale Anbieter nutzen kann und sollte. Er sollte dies tun, um die lokale technologische Unabhängigkeit zu gewährleisten, aber auch, um lokale Fähigkeiten und Arbeitsplätze zu schaffen. Wirtschaftlich gesehen können die Leistungen lokaler Anbieter auch sehr wettbewerbsfähig sein. Auf der anderen Seite haben lokale Anbieter ein engeres Leistungsspektrum und die Nutzung ihrer Angebote erfordert etwas mehr Arbeit seitens der Beschaffer. Meiner Meinung nach sollte diese Arbeit aber gemacht werden, wenn wir uns nicht nur auf Lösungen außereuropäischer Giganten verlassen wollen.
Wenn der öffentliche Sektor diesen Weg geht – wird mit der Zeit auch der private Sektor folgen, aber es ist der öffentliche Sektor, der hier die Trends setzen sollte.

Die Hauptakteure auf diesem Markt sind jedoch Lieferanten von außerhalb Europas. Gibt es jedoch Vorteile bei europäischen Anbietern?

MK: Wie bereits erwähnt, gibt es einige ernstzunehmende Argumente für den Einsatz lokaler Anbieter.
Einer davon ist die Sicherheit, verstanden erstens als Datensicherheit - wobei nur europäische Anbieter sicherstellen können, dass die Daten in Europa gespeichert und nicht auf Anfrage außereuropäischer Regierungen zur Verfügung gestellt werden, und zweitens als Garantie für die Verfügbarkeit der Dienste - weil sie auf lokalen, autonomen Infrastrukturen und Kompetenzen basieren werden. Kompetenz ist sehr wichtig - wer vor Ort einkauft, investiert in lokale Kompetenz und Arbeitsplätze und damit in Eigenständigkeit. Im Alltag ist sie wahrscheinlich weniger wichtig, kann aber in Zeiten einer möglichen Krise entscheidend werden. Kompetenzen und lokale Ingenieure werden darüber entscheiden, dass wir die Barriere des mittleren Einkommens überwinden und zu den am stärksten industrialisierten Gesellschaften und der Spitze der Industrie 4.0 aufschließen. Man braucht also lokale Lösungen und lokale Lieferanten.
Lokale Lieferanten sind möglicherweise auch flexibler und bereit, ihre Lösungen auf spezifische Kundenbedürfnisse zuzuschneiden. Sie bieten auch eine größere Kundennähe und einen persönlicheren Support, was bei den großen Fabriken der globalen Giganten unmöglich ist.
Und gleichzeitig - können sie wirtschaftlichere Lösungen anbieten, die für den Kunden einfach günstiger sein können. Dass die damit verbundenen Einnahmen in Polen und Europa bleiben und voll versteuert werden, lasse ich jetzt schon einmal beiseite.

Wie schätzen Sie die Zukunft des Cloud-Computing-Marktes ein? 

MK: Blendend. Es genügt zu sagen, dass die Branchenführer von Jahr zu Jahr um ca. 30% wachsen. Man muss "nur" auf den schnell fahrenden Zug aufspringen und diesem Tempo folgen. "Nur" muss nicht unbedingt einfach sein, aber wer es kann, hat ein unglaubliches Wachstum vor sich.

In welchen Branchen sehen Sie noch Ihr Potenzial? Oder werden Sie sich vor allem auf weitere Kooperationen mit Institutionen aus dem Raumfahrtsektor konzentrieren?

MK: Natürlich werden wir versuchen, unsere Position bei raumfahrtbezogenen Dienstleistungen zu stärken. Wir hoffen, auch in andere Branchen einsteigen zu können, die große Datenmengen erzeugen, verarbeiten und speichern. Zu diesen Bereichen gehören beispielsweise die medizinische diagnostische Bildgebung, die autonome Mobilität und andere Bereiche, die umfangreiche Telemetrie und das Internet der Dinge (IoT) erfordern, sowie verschiedene Bereiche der wissenschaftlichen Forschung, wie die Genomforschung, einige Bereiche der Himmelsbeobachtung und die Hochenergiephysik.
Es liegen also eine Menge Herausforderungen vor uns und eine Menge sehr interessanter Möglichkeiten.

Sie sind der Gewinner der ersten Ausgabe des Wettbewerbs um den Deutsch-Polnischen Wirtschaftspreis. Cloudferro erwies sich als das beste Unternehmen im Wettbewerb von insgesamt 43 zum Wettbewerb angemeldeten Unternehmen. Hat sich der Preis positiv auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

MK: Der Wirtschaftspreis der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer ist eine große Ehre für uns und eine zusätzliche Bestätigung für die hohe Kompetenz des CloudFerro-Teams. Es handelt sich um technologisch fortschrittliche Dienstleistungen, insbesondere die Implementierung und den Betrieb von Cloud Computing und die Bereitstellung des Zugangs und der Verarbeitung von Erdbeobachtungsdaten, die Deutschland betreffen, im Auftrag des DLR - einer der größten Raumfahrtagenturen in Europa.

Bei der Entgegennahme des Preises fühlten wir uns noch mehr gewürdigt, da wir in einem so breiten und gleichberechtigten Feld von exzellenten, innovativen Unternehmen gewonnen haben. Andererseits haben wir eine Reihe von Möglichkeiten zur Kommunikation und Förderung unserer Aktivitäten erhalten. Wir freuen uns auf ein dynamisches Wachstum auf dem deutschen und weiteren deutschsprachigen Märkten, was sich auch auf andere, ebenso spannende Projekte - wie beispielsweise die Kooperation mit dem DLR - übertragen wird.