Die abrupten Änderungen der Handelspolitik der USA gegenüber ihren wichtigsten Handelspartnern deuten auf einen Wandel des Freihandelsparadigmas hin und stellen eine Herausforderung für die Wirtschaftspolitik dar.
Im Jahr 2024 machte der Import aus der Europäischen Union 18,5 % des gesamten US-Imports aus – vor Mexiko (15,5 %), China (13,4 %) und Kanada (12,6 %). Dennoch war es China, das im Jahr 2024 mit 21 % den größten Anteil am US-Handelsdefizit hatte, gefolgt von der EU (19 %), Mexiko (18,4 %) sowie Vietnam und Kanada (jeweils 9,4 %). Unter den EU-Ländern hatten Deutschland (4,9 %), Irland (3,1 %) und Italien (2,3 %) den größten Anteil am US-Import. Dabei entfielen 6,6 % des US-Handelsdefizits auf den Handel mit Deutschland, 6,2 % auf Irland und 3,7 % auf Italien. Der Import aus Polen machte im Jahr 2024 0,4 % des gesamten US-Imports aus, wobei der Handel zwischen Polen und den USA relativ ausgeglichen war. Laut Angaben des polnischen Statistikamts (GUS) wies Polen im Jahr 2023 ein Handelsdefizit mit den USA in Höhe von 4,3 Mrd. USD auf – bei einem Exportvolumen in die USA von 11,8 Mrd. USD und Importen aus den USA im Wert von 16,2 Mrd. USD. Der polnische Export in die USA war stark konzentriert: Im Jahr 2023 machten Maschinen und Geräte 44,9 % des polnischen Exports in die USA aus, optische, fotografische und messtechnische Instrumente 12,4 %, Fahrzeuge und Schiffe 8,2 %, Möbel und Spielwaren 5,3 % sowie unedle Metalle und daraus gefertigte Waren 5,0 %. Die Importe aus den USA nach Polen waren 2023 deutlich stärker diversifiziert: Maschinen und Geräte machten 25,5 % der US-Importe aus, chemische Erzeugnisse 14,1 %, Fahrzeuge und Schiffe 12,4 % sowie mineralische Produkte 11,8 %.
Der polnische Export in die USA machte im Jahr 2023 3,1 % des gesamten polnischen Exports aus. Die KN-Sektionen mit dem höchsten Anteil der Exporte in die USA am Gesamtexport der jeweiligen Warengruppe waren Edelsteine und Edelmetalle (17,8 %), optische, fotografische und messtechnische Instrumente (17,7 %), Maschinen und Geräte (5,4 %) sowie Möbel und Spielwaren (2,8 %). Diese Sektoren – mit Ausnahme der Exporteure von Stahl und Aluminium – werden die direkten Auswirkungen der Erhöhung der US-Zölle am stärksten zu spüren bekommen. Auch indirekte Auswirkungen der Zollanhebungen auf den US-Import werden in den Sektoren zu spüren sein, die mit den exportorientierten Branchen in Deutschland kooperieren: insbesondere in der Produktion von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, Maschinen und Geräten, Metallen und Metallwaren sowie Kunststoffen und chemischen Erzeugnissen. Verfügbare Analysen zeigen, dass die Auswirkungen der Veränderungen in der US-Handelspolitik deutlich stärker auf die US-Wirtschaft wirken werden als auf die Wirtschaft der EU. Davon ausgehend, dass je nach Szenario, sich das BIP-Wachstum in der EU infolge dieser Veränderungen um 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte verringern könnte, dürfte es das BIP-Wachstum in Polen um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte abschwächen. Die geografisch und sektorell diversifizierte Struktur des polnischen Exports wird die negativen Folgen der Handelspolitikänderungen für die polnische Volkswirtschaft insgesamt abmildern. Allerdings wird der Einfluss auf einzelne Sektoren und Unternehmen in Polen deutlich heterogener und potenziell wesentlich stärker ausfallen.
Die Heftigkeit der Veränderungen und die Unvorhersehbarkeit der US-Handelspolitik in den letzten Monaten führen dazu, dass die oben genannten Schätzungen mit erheblicher Unsicherheit behaftet sind. Offen bleibt die Frage nach der Reaktion der EU auf die Erhöhung der US-Zölle. Diese Antwort wird die Interessen einzelner Mitgliedstaaten, Regionen und Industriezweige berücksichtigen müssen – entsprechend ihrer jeweiligen Exponiertheit im Handel mit den USA sowie unter Einbeziehung der zu erwartenden Reaktion der USA auf etwaige Gegenmaßnahmen der EU. Dabei müssen auch Aspekte wie etwa „trade diversion“ in die Überlegungen einfließen.
Die Aufrechterhaltung hoher Zollbarrieren für Importe aus China in die USA könnte zu einer Umleitung chinesischer Exporte in Richtung EU führen, was wiederum einen Anstieg der Handelsbarrieren zwischen der EU und China zur Folge haben könnte. Sollte es zu einer Eskalation des Handelskriegs zwischen den USA und China kommen, könnten dadurch die Lieferketten für kritische Rohstoffe und Komponenten gefährdet und deren Preise in die Höhe getrieben werden. In den USA ist in diesem Fall mit einem stärkeren Inflationsanstieg zu rechnen, während der Inflationsimpuls in der EU voraussichtlich durch sinkende Energiepreise sowie eine Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar abgeschwächt wird. Mittelfristig dürften die Marktzinsen in den EU-Ländern tendenziell sinken, da die Zentralbanken rascher auf die erwartete Abschwächung des Wirtschaftswachstums reagieren – was auch in Polen zu einer schnelleren Senkung der Leitzinsen führen dürfte.
Arkadiusz Krześniak
Chefvolkswirt der Deutschen Bank Polska