"Die Dynamik wird sich 2022 fortsetzen"

Welches Fazit zieht die AHK Polen zum deutsch-polnischen Geschäft im Jahr 2021? Wie bewertet die Handelskammer angesichts der Pandemie und nach dem Regierungswechsel in Deutschland die Chancen für das neue Jahr? Dr. Lars Gutheil, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der AHK, wagt den Ausblick in die Zukunft.

Dr. Lars Gutheil, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der AHK Polen

Herr Gutheil, 2021 war wieder kein einfaches Jahr für den Handel. Wie fällt Ihr Fazit für die deutsch-polnischen Geschäftsbeziehungen aus?

Polen hat seine wirtschaftliche Bedeutung für Deutschland auch im zweiten Pandemiejahr unterstrichen. Von Januar bis Oktober 2021 hat das bilaterale Handelsvolumen mit über 120 Mrd. Euro schon fast das Niveau des kompletten Vorjahres erreicht. Polen wird aller Voraussicht nach seinen Platz als fünftgrößter Handelspartner der Bundesrepublik vor Italien verteidigen. In den ersten neun Monaten des Jahres haben die Exporte von Polen nach Deutschland um über 20 Prozent zugelegt. Umgekehrt kletterten die Importe um über 19 Prozent. Das sind beeindruckende Zahlen, die die gegenseitige Verknüpfung unserer Ökonomien belegen.

Welche Warengruppen spielen dabei eine besondere Rolle?

Trotz der fast beispiellosen Lieferkettenkrise, die auch 2022 fortdauern dürfte, bleiben die klassischen Bereiche wie Automotive und Maschinen dominant. Sehr dynamisch haben sich aber auch chemische Erzeugnisse, Metalle und der Pharmasektor entwickelt. Polen ist zuletzt auch wieder seiner Rolle als Europas Nummer eins bei Möbeln gerecht geworden, die Zahlen steigen seit Monaten deutlich. Unterm Strich gibt es also nicht den einen, spielentscheidenden „Lewandowski“, sondern die Mannschaft ist breit aufgestellt.

In Polen fragen sich viele, wie sich die Bundestagswahl auf die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen auswirken werden.

Wir erwarten auch unter der neuen deutschen Regierung Kontinuität in der Wirtschaftspolitik. Neu ist sicher die deutlich stärkere Ausrichtung auf das Thema Klima, das nun in das Wirtschaftsministerium integriert worden ist. Das bedeutet, dass in den Lieferketten die Bedeutung klimaneutraler Produktion zunehmen wird. Dies ist allerdings nicht grundsätzlich neu – schon heute sind Produktionsstätten mit entsprechenden Forderungen ihrer Abnehmer konfrontiert. Dennoch unterstreicht es, wie wichtig eine rasche, transparente Energietransformation in Polen ist. Die Wirtschaft sollte dabei eng einbezogen werden, denn es geht ja auch um wichtige Investitionsentscheidungen.

Wie entwickeln sich denn die deutschen Investitionen in Polen?

Grundsätzlich weiterhin gut. Das gilt vor allem für Erweiterungen bestehender Investitionen. MAN baut sein Werk in Niepołomice für rund 95 Mio. Euro aus. Robert Bosch plant eine neue Produktionslinie für moderne Bremssysteme in Mirków. ZF investiert in eine neue Herstellung von Elektronikkomponenten in Częstochowa für mehr als 100 Mio. Euro. Bayer erweitert seine Präsenz um einen Tech Hub in Warschau mit 400 IT-Experten. Die Investitionen deuten auf immer höhere technologische Anforderungen und Qualifikationen hin. Generell hat Polen gute Chancen, von der Neuordnung der Lieferketten nach Corona zu profitieren. Allerdings muss das Land darauf achten, steuerrechtlich und energiepolitisch, aber auch im Hinblick auf das Zuliefer- und Startup-Umfeld attraktiv zu bleiben. Und natürlich spielen Kosten, Bürokratie und rechtlicher Rahmen sowie das Image des Standorts ebenfalls eine wichtige Rolle.

Was tut die AHK, um 2022 den Dialog beider Länder zu fördern?

In beiden Ländern sind neue Wirtschaftsminister tätig. Wir hoffen auf ein rasches Treffen und spüren schon jetzt, welche Themen auf beiden Seiten als wichtig erachtet werden. Die AHK würde es sehr begrüßen, wenn beide Länder ihre regelmäßigen Wirtschaftsforen 2022 wieder aufnehmen, die wegen der Corona-Pandemie unterbrochen waren. Ich denke, dass wir als Handelskammer während der Covid-Krise viele Foren für den Austausch geboten haben – unter anderem durch unsere Ausschüsse und das neue Format der Konferenz Deutsch-Polnische Zukunftsmärkte. 2022 wollen wir sehr intensiv mit den Ministerien und Institutionen auf beiden Seiten arbeiten und natürlich auch die deutschen Länder und polnischen Woiwodschaften wieder eng miteinander verknüpfen – hoffentlich auch in Form physischer Delegationen und Treffen.  

Wie lautet Ihre Prognose für 2022?

Wir gehen derzeit durch eine schwierige Phase der Pandemie. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir die Krise 2022 letztlich überwinden werden – durch Impfungen und die Einführung wirksamer Medikamente. Polen und Deutschland haben sich in der Pandemie als bemerkenswert erfolgreiche Wirtschaftspartner erwiesen. Wir spüren bei der AHK eine enorme Dynamik – trotz Pandemie haben wir 2021 einen Auftragsrekord verbucht. Ich bin überzeugt, dass sich diese Entwicklung im neuen Jahr fortsetzen wird. Daher blicke ich mit Optimismus und hohe Motivation auf die kommenden Monate.  

 

Danke für das Gespräch!